1717: Das Wildbad im Fokus des Landesfürsten

 

In Burgbernheim war es mehr als ein Jahrhundertereignis, als im Juni 1717 die markgräfliche Gesellschaft in edlen Kutschen durch den Ort zum Wildbad hinaufzog, eskortiert von tausend Soldaten zu Pferd und zu Fuß und gefolgt von einer schier endlosen Wagenkolonne, meist sechsspännig. Doch diesem Spektakel waren Monate schwerster Belastung vorangegangen – nicht nur für die Burgbernheimer, sondern für alle markgräflichen Untertanen im so genannten Unterland des Bayreuther Fürstentums.

Markgraf Georg Wilhelm regierte das Fürstentum Brandenburg-Bayreuth von 1712-1726. Wie die meisten Potentaten seiner Zeit liebte er den Prunk.
Gg. Wilhelm
Bild: Markgraf Georg Wilhelm vor dem Wildbad
 
Gelegenheit dazu boten einerseits das Militär, andererseits Prachtbauten. Seine Offiziere stattete er mit Allongeperücken und Bärenfellmützen aus. Bereits in seiner Jugendzeit inszenierte er Kriegsspiele.
  Später erwarb er sich Verdienste als Reitergeneral in kaiserlichen Diensten. Eine Musketenkugel machte ihm zeitlebens zu schaffen. Noch als Erbprinz ließ er Anfang des 18. Jahrhunderts das Erlanger Schloss erbauen. Zur selben Zeit, als in der Nähe seiner Residenzstadt Bayreuth sein bekanntestes Bauwerk, die Eremitage, entstand, war er auch am westlichen Ende seines Fürstentums tätig. Das Wildbad Burgbernheim befand sich seit dem Dreißigjährigen Krieg in einem maroden Zustand. Er ließ das 1587 von seinem Ahnherrn Markgraf Georg Friedrich errichtete „Badhaus“– das nördliche der beiden Hauptgebäude – renovieren, die steinerne Treppe anlegen und die Quellen neu fassen. Doch ein bescheidenes, ruhiges Kurbad im Wald entsprach nicht den fürstlichen Maßstäben. Offensichtlich hatte er auch hier eine schlossähnliche Anlage im Sinn. So ließ er im Wald fünf Alleen anlegen, die ohne Rücksicht auf das Gelände geradlinig und streng geometrisch angeordnet auf das Wildbad zulaufen.

Der Fürst ließ bauen – für die Baukosten hatte die Gemeinde Burgbernheim 342 Gulden zu zahlen. Sie bediente sich aus den Kassen der Pfründ- und der Röckpflege (Armenkasse) und erklärte dies als mit fünf Prozent zu verzinsendem Vorschuss.

 

Kriegsfron für ein fürstliches „Lustcampement“

1717 sollte die Anlage im Rahmen eines großen militärischen Feldlagers präsentiert werden. Ein solches, französisch Campement, im fürstlichen Umfeld Lustcampement genannt, mit über tausend Soldaten hatte der Markgraf in Begleitung seiner Gemahlin, weiterer Verwandtschaft und hohen Herren bereits ein Jahr zuvor auf einer Wiese bei Kulmbach inszeniert. Wo sollten die tausend Soldaten für ein derartiges Campement beim Burgbernheimer Wildbad mitten im Wald kampieren und exerzieren? Kein Problem für einen absolutistisch regierenden Herrscher: Er befahl eine „Kriegsfron“ für über tausend Untertanen aus über 50 Dörfern seines „unterländischen“ Herrschaftsgebietes, zwischen Burgbernheim und Mailach unterhalb Ühlfeld im Aischgrund und im Aurachgrund bis Falkendorf kurz vor Herzogenaurach. Eingeteilt in sieben „Ablösungen“ zu je 150 Mann hatten sich die Betroffenen jeweils am Vorabend ihres Dienstbeginns mit Beilen und Hacken zu ihrem dreitägigen Frondienst am „Campementplatz“zu melden. Auflage: „Es sollen keine Kinder oder Weibspersonen geschickt werden!“ Für die meisten kam je ein Tag für den Hin- und Rückweg dazu. Innerhalb von nur drei Wochen, zwischen dem 20. Mai und dem 12. Juni 1717, wurde so die etwa zwei Hektar große Waldfläche gerodet, die wir heute als Wildbadwiese kennen. Wohl nebenbei, weil nicht mit einer Kriegsfron vereinbar, wurden die bereits früher begonnenen Alleen vollendet. Vermutlich wurde dafür auch das Militär eingesetzt. Es heißt, der Markgraf hätte seine Soldaten für Bautätigkeiten eingesetzt – bei doppelter Entlohnung!

Aufsicht vor Ort führte der kauzige Forstmeister und ehemalige Hauptmann Abraham von Trozenberg, der das Jägerhaus auf der Hohen Leite bewohnte und dort eigenmächtig ein großes Stück Wald für einen Garten gerodet hatte.

Katasterplan

Der Katasterplan zeigt die Lagerwiese und den Schießplatz von 1717. Verstärkt nachgezeichnet sind die damals entstandenen Alleen. Diese sind weitgehend erhalten, die nach Nordosten führenden als romantische Waldwege (der 2. von links führt zum Teufelshäuschen), die beiden nach Südosten als Asphaltstraßen: Wildbadzufahrt und Straße nach Hornau

Spanndienst für den Aufmarsch

In der Nacht zum 17. Juni 1717 wurden die Amtsschultheißen und Bürgermeister von Burgbernheim und Marktbergel für den nächsten Tag ins markgräfliche Oberamt nach Ipsheim beordert, wo man ihnen den vom Obristen von Basewitz erstellten Marschplan präsentierte. In fünf Tagesetappen sollte es von Bayreuth nach Burgbernheim gehen. Stationen waren Streitberg, Erlangen (hier drei Tage Aufenthalt), Dachsbach und Ipsheim. Für jede Etappe hatten Orte aus der Umgebung alleine für den Hofstaat je 140 Zugtiere und 15 leere Leiterwagen bereitzustellen, dazu kamen Futterlieferungen. Burgbernheim und Marktbergel waren ab Ipsheim zuständig, Burgbernheim mit 90 Tieren, darunter 27 „Reispferde“ (s. „Reiswagen“weiter unten. Legitimiert als Kriegsfron war kein Widerspruch möglich! Für das Militär – neun Kompanien, wohl über tausend Mann Garde zu Fuß und zu Pferd, Grenadiere, Husaren, Infanterie, Oberst, Generaladjutant, Feldgeistlicher zu Pferd und Tross – wurden insgesamt weitere 56 Leiterwägen gefordert, dazu neun „Reiswagen“ (Packwagen für Feldzüge, die von den Untertanen zu stellen waren), an den meisten Wagen sechs Stück Anspann, in Summe 427 Zugtiere. Zusätzlich hatte Burgbernheim fürs Erste 4 Kapaunen, 20 alte und 36 junge Hühner, 16 junge Tauben, 20 Enten, 4 Schock Eier und 65 Pfund Butter zu liefern.

Eine Woche später, am 24. Juni 1717 traf die Suite in Burgbernheim ein: Serenissimus mit Gemahlin, mehreren Ministern und die „Soldatesca zu Roß und zu Fuß“. Der übliche Fahrweg führte damals von Windsheim über die Kleinwindsheimer Mühle, Schwebheim und die Aumühle nach Burgbernheim, wo es vorbei am Brechhaus über den so genannten Kniebrecher hinauf auf die Frankenhöhe ging.

Vier Wochen, bis 22. Juli logierte und kurte die erlauchte Gesellschaft im renovierten Wildbad, während die Soldaten in Zelten auf dem frisch gerodeten Lagerplatz kampierten. Über den Tagesablauf des Fürsten kann man spekulieren: morgens kuren, nachmittags Krieg spielen und jagen?

Kuraufenthalt der Königin von Polen mit großem Gefolge

Serenissimus scheint den Aufenthalt in Burgbernheim genossen zu haben. Er meinte, eine Wildbadkur würde auch seiner unglücklichen älteren Schwester Christiane Eberhardine guttun. Durch ihre Ehe mit August dem Starken, Kurfürst von Sachsen, der nach dem Übertritt zum Katholizismus die polnische Königskrone erworben hatte, führte sie den Titel Königin von Polen. Sie blieb standhaft beim lutherischen Glauben. Aus Sorge, zur Konversion gezwungen zu werden, betrat sie nie polnischen Boden. Getrennt von ihrem Gemahl lebte sie im Schloss Pretzsch an der Elbe, besuchte aber öfters ihre Verwandtschaft in Bayreuth.

Eberhardine

Christiane Eberhardine, Kurfürstin von Sachsen und Königin von Polen vor dem „Rieter-Schlößchen“ (Fotomontage).
Hier sammelte die Nürnberg-Kornburger Patrizierfamalie Rieter den seit dem Mittelalter bezeugten „Zehnten zu Bernheim und auf dem Walde“. Nachdem dieser Zehnt 1754 an die Familie von Greiffenclau zu Vollraths gegangen war, hieß es Greiffenclausches Schlößchen

Drei Wochen nach Abreise der fürstlichen Gesellschaft, am 14. August 1717, kam Majestät mit achtzigköpfigem Gefolge in Burgbernheim an. Ab Ipsheim mussten Burgbernheim und Marktbergel wieder Anspann stellen. Die Räumlichkeiten im Wildbad reichten bei Weitem nicht. Sieben Wochen logierte die Königin in dem 1711 erbauten „Schlößlein“ des Barons Rieter in der Schloßgasse. Wie oft sie im Wildbad war, ist nicht überliefert, vermutlich badete sie in hereingebrachtem Wildbadwasser, sie wird nicht regelmäßig die gefährliche Kutschfahrt zum Wildbad über den „Kniebrecher“ auf sich genommen haben.

  

Einquartierung

Die Unterbringung des königlichen Hofstaats im Ort bedeutete für den Marktflecken eine enorme logistische Herausforderung. Eine nach Stand und Funktion gegliederte Quartierliste vermittelt ein Bild der noblen Gesellschaft und des heute grotesk erscheinenden Personalaufwands. Nachfolgende Zusammenstellung enthält die Namen der damaligen Quartiergeber; die anhand des „Häuserbuches“ ermittelten heutigen Adressen dürften die derzeitigen Eigentümer interessieren.

Ihre Majestät residierte bei Baron von Rieter (Rieterschlößchen, Schloßgasse 6) im Obergeschoss, zusammen mit einer Kammerfrau, drei Kammermägden und einer Kammerzwergin, das Erdgeschoss bewohnte die Prinzessin von Weißenfels mit zwei Kammermägden.

Dames: „In des Herrn Siegfried Grüners Haus“ (Rodgasse 3) wohnten die Fräuleins von Erffe, von Gailsheim, von Erdmannsdorf und von Friehen sowie zwei Fräuleinsmägde.
Bei Johann Gerber (Windsheimer Str. 14) logierte Frau General Lieutenantin von Lejay mit Diener, Fräulein von Lejay und zwei Mägden.

Cavaliere: Bei Michael Fluhrer (Windsheimer Str. 2, Gasthof Hirschen) logierte Herr Kammerherr und Stallmeister Graf von Geyersberg mit vier Dienern und vier Pferden; bei Georg Fluhrers Wittib (Marktplatz 1, Gasthaus Weißes Roß) Herr Kammerherr von Knoche mit drei Dienern und drei Pferden. Bei Hanns Georg Unbehauen (Marktplatz 2) Herr Kammerjunker von Poniclau nebst zwei Dienern und drei Pferden, bei Hanns Heinrich Heydt (Marktplatz 6) Herr Kammerjunker von Marschall nebst zwei Dienern und drei Pferden.

Hofstaat: „In der Frau Cammerierin Haus“ (Rothenburger Str. 12, das ehem. Schreyersche Schlößlein) wohnten der Geheime Secretarius Herr Licent Engelschall mit einem Diener, Herr Medicus Dr. Breindel sowie der Cancelist Schödel; bei Martin Wagenstell (Rodgasse 6) Hofrath und Leibmedicus von Anspach Herr Dr. Hoffmann mit einem Diener; bei Johann Georg Fluhrer (Windsheimer Str. 6 ) ein Hof Fourier mit einem Diener; bei Martin Michael Bauernfeind (Obere Marktstr. 8) ein Page von Wiedtmann und ein Page von Raizenstein Senior mit einem Diener. Bei Hanns Albrechts Wittib (Obere Marktstr. 4) ein Page von Vize­thumb und ein Page von Raizenstein jun. mit einem Diener. Bei Hanns Georg Kaufmann (Hirschengasse 4) wohnte „der Jungfer Sophia Kammerdiener Georg Herold“; bei Hanns Caspar Leydig (Untere Marktstr. 1) der Bader Behrens; bei Friedrich Stern (Uhrmachergasse 2) Kammerdiener Müller.

Küchen: Bei Herrn Johann Michael Göz (Obere Kirchgasse 8, ehem. Amtsschultheißenhaus, jetzt ev. Gemeindehaus) Küchenmeister Hübscher mit einem Diener; bei Sebastian Ziehrer (Schloßgasse 2) Küchenschreiber Weigelt und „ein Junge bei der Küchenschreiberei“ und ein Küchenaufwarter; bei Leonhard Loders Wittib (Marktplatz 3) die zwei Mundköche Lang und Nagel; bei Claus Hermann (Rodgasse 14) ein Beikoch Terpiz und Oberhofmeister Tafelkoch Hübner; bei Georg Fluhrer, Metzger (Windsheimer Straße 8, Gasthaus Grüner Baum) Bratenmeister Kühn und ein Backkoch. Bei Michael Hain (Rothenburger Str. 6) ein Kohlmann und ein Metzgerknecht. Je zwei Kochjungen wohnten bei Jobst Brand (Untere Marktstraße 2), bei Michael Conrads Erben (Rodberggäßchen 2), bei Hanns Wittmann (Rothenburger Straße 3), bei Johann Mayer, Wildmeister (Friedenseicheplatz 6, Gasthaus Goldener Engel); drei Mägde bei Jobst Hönning (Innere Bahnhofstraße 8).

Kellerei: Bei Hector Christoph Halbmayer (Straizergasse 5) wohnten der Kellerschreiber Schenck, der Hofbüttner Nehr und ein Kelleraufwarter.

Conditorey: Zwei Conditorgesellen bei Johann Geiß (Friedenseicheplatz 7) und eine Magd bei Hanns Georg Mayer, Schneider (Bergeler Str. 2).

Die Silberkammer mit einem Silberdiener bei Johann Friedrich Müller (Schloßgasse 10), ein Mundschenkschreiber bei Hanns Rüdinger (Schloßgasse 16), ein Beischenk bei Christoph Wießender (Bergeler Str. 12); drei Jungen, nämlich: ein Mundschenk, ein Silberdiener und ein Beischenkjunge bei Andreas Schwarz (Untere Marktstr. 4; eine Silberwäscherin und deren Magd bei Hanns Adam Schreiner (Innere Bahnhofstr. 8).

Sechs Lakeien und andere Diener: Je zwei bei Hanns Leonhard Förster (Bergeler Str. 10), bei Bernhard Seufferlein (Friedenseicheplatz 5) und bei Hanns Friedrich Reutter (Bergeler Str. 5).

Fünf Damenlakeien: einer bei Sebastian Frieß (Rodgasse 4), ein Leibschneidergesell bei Hanns Georg Dehm, Melber (Rodgasse 2), ein Stubenheizer bei Leonhard Wagenstell (Bergeler Str. 2) und zwei Heiducken bei Caspar Stahl (Bergeler Str. 7).

Waschhaus: eine Leibwäscherin, eine Fräuleinswäscherin und drei Waschmägde bei Hanns Michael Röger (Wassergasse 12), vier weitere Mägde bei Leonhard Schneider (Uhrmachergasse 1) und bei Georg Krehmer (Rothenburger Str. 13).

Je zwei Stallbedienstete oder Wagenknechte bei Georg Schmidt sen. (Untere Marktstraße 6) und bei Michael Ruchser (Hirschengasse 3).

 

Aufatmen in Burgbernheim

Am 29. September 1717 reiste die königliche Gesellschaft wieder ab. In Burgbernheim liefen bereits die Vorbereitungen für einen erneuten Besuch im Folgejahr. Noch Ende Mai 1718 wurden aus Bayreuth drei versiegelte Fässer Bier angeliefert, mit der Maßgabe, sie im Herrenkeller einzulagern. Vom 1. Juni datiert eine umfangreiche Liste mit Lebensmittelanforderungen an Burgbernheim und Marktbergel unter Hinweis auf die Ankunft der Königin noch in derselben Woche. Doch es kam nicht dazu. Die Gründe, die zur kurzfristigen Absage führten, sind nicht bekannt. In Burgbernheim dürfte man aufgeatmet haben. Die Majestät ließ dem Bürgermeisteramt 9 Gulden und 36 Kreuzer verehren! Überliefert ist ein Kuraufenthalt der Königin in Karlsbad im Jahr 1723, da konnte Burgbernheim natürlich nicht mithalten!

 

Eine Bluttat am Rand des königlichen Besuches

Im Gasthaus Zum Goldenen Hirschen von Michael Fluhrer, wo Graf von Geyersberg aus dem Gefolge der Königin logierte, hatten sich zwei stellenlose Leutnants einquartiert, Lorenz von Bühlau aus Mecklenburg und Christoph Schellin aus Schwaben, die beim Grafen um Anstellung vorsprechen wollten. In der Nacht des 21. September kam es zwischen beiden zum Streit, wobei von Bülow seinen Kameraden Schellin erstach. Der Täter wurde am 7. Januar 1718 auf dem Burgbernheimer Marktplatz enthauptet.

 

An Markgraf Georg Wilhelm erinnern in Burgbernheim noch die Initialen GWMZB (Georg Wilhelm Markgraf zu Brandenburg) mit Jahreszahl 1723 am des Torbogen des Torhauses, welches damals zusammen mit dem Eingangsbereich der Kirchenburg saniert wurde.

 

Quellen:

Stadtarchiv Burgbernheim A4039 (gesamter Schriftwechsel), B5, R82
Mayer-Holzmann, Die Markgrafen von Ansbach-Bayreuth. Erlangen-Jena 2002
Hermann Emmert, Burgbernheim – Orts- und Häusergeschichte bis ins 21. Jahrhundert, Nürnberg 2008